Die Gaspreise schießen in die Höhe, die Stromkosten ziehen nach. Die Industrie preist daher smarte Thermostate und Lampen als Energiebremse in Krisenzeiten an. Doch helfen vernetze Geräte im Smarthome wirklich dabei, Strom- und Heizkosten zu sparen?
»Die Einsparung von Energie, in erster Linie Heizenergie, ist eines der wichtigsten Ziele von Smarthome«, sagt Günther Ohland dem SPIEGEL. Laut dem Chef des Branchenverbands Smarthome Initiative Deutschland lassen sich mit den Geräten etwa 20 bis 30 Prozent der Heizenergie einsparen. Die Kosten für die smarte Technik rechneten sich in der Regel nach zwei Jahren. Bei steigenden Energiepreisen könne das sogar noch schneller gehen, sagt der Verbandschef.
Doch ganz so einfach ist die Rechnung nicht, wenn es nach Johanna Pohl von der Technischen Universität Berlin geht. »Mit Smarthome kann viel Energie eingespart werden, aber nur unter bestimmten Bedingungen«, sagt die Umweltforscherin im Gespräch mit dem SPIEGEL. Wer etwa die Raumtemperatur in seiner Wohnung bisher nicht aufs Grad genau einstellen kann, der könne mit Smarthome unter Umständen die Heizkosten senken. »Es ist ein riesiger Unterschied, ob die Wohnung auf 19 oder 21 Grad aufgeheizt wird«, sagt Pohl. Jedes Grad mehr oder weniger mache einen Unterschied von sechs Prozent beim Heizenergieverbrauch aus.
Der Forscherin zufolge wird allerdings oft vorgegaukelt, dass wirklich alle Menschen mit Smarthome sparen könnten. »Das stimmt nicht«, sagt Pohl. »Wer seine Zimmertemperatur jetzt schon auf 19 Grad regeln kann, die Heizung beim Lüften ausschaltet und runterdreht, wenn niemand da ist, der erzielt keine großen Ersparnisse mit Smarthome.« Denn: Smarte Thermostate, Rollladen-Motoren und Kippsensoren übernehmen schließlich nur Aufgaben, die jeder auch ohne Technik erledigen kann.
Smarthome unter Dauerstrom
Außerdem haben die Energiespar-Gadgets eine Kehrseite: Die Geräte verbrauchen ständig Strom. Steuerzentralen wie Apple TV, Amazon Echo und Google Nest Hub laufen im Dauerbetrieb, und die Akkus der Thermostate müssen regelmäßig geladen werden. Wer dann noch Kameras, Lautsprecher und Saugroboter per App steuert, erhöht den Strombedarf im Haushalt laut einer Studie des Instituts für angewandte Ökologie um mehr als 200 Kilowattstunden pro Jahr. Der BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland geht sogar von 330 Kilowattstunden pro Jahr aus – weltweit summiere sich der zusätzliche Smarthome-Energiebedarf auf 70 Terawattstunden. Das entspricht etwa dem jährlichen Stromverbrauch von ganz Baden-Württemberg .
Wenn man den Zusatzstrom und die gesparte Heizenergie im Smarthome gegenrechnet, dann sinkt laut der Studie des Öko-Instituts der Energieverbrauch unterm Strich immer noch um bis zu zehn Prozent. In einer Wohnung im Mehrfamilienhaus lassen sich demnach bis zu sechs Prozent einsparen.
Klar ist: Die Energiebilanz der Wohnung lässt sich nur mit Smarthome-Geräten verbessern, die gezielt fürs Sparen eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu belasten Sicherheitsgeräte wie Überwachungskameras und Luftsensoren das Energiekonto. Auch Rasensprenger und Gießanlagen verschlechtern die Bilanz, da die Gartenjobs entweder selbst oder von den Nachbarn erledigt werden können. »Alle Geräte ohne Sparfunktion verbrauchen zusätzliche Energie«, sagt Pohl.
Laut Ohland fällt Strom aber kaum ins Gewicht. »Heutige Geräte sind keine Stromfresser.« Zwar bräuchten Sprachassistenten wie Alexa, Siri und Co. durchgängig Strom, aber eben sehr wenig. »Aktuelle Geräte sind verbrauchsoptimiert und nicht vergleichbar mit Geräten von vor 15 Jahren«, sagt Ohland. »Damals stand die Funktion im Fokus, nicht die Energie.« Moderne Systeme seien auf geringen Stromverbrauch getrimmt.
Produktion trübt die Energiebilanz
Strom sparen lässt sich im Smarthome fast nur mit Ausschaltsteckern, die etwa Lampen zu bestimmten Tageszeiten oder per App-Befehl ausknipsen. Außerdem können smarte Steckdosen dabei helfen, die Standby-Kosten von Fernsehern, Stereoanlagen und Spielekonsolen zu drücken. Doch die Steckdosen sind eben auch dauerhaft empfangsbereit und verbrauchen selbst Strom – was von der gesparten Energie wieder abgezogen werden muss.
Messen lässt sich der jährliche Kilowattstundenverbrauch für ein smartes Gerät im Dauerbetrieb, indem man die Watt-Angabe auf der Packung mit 24 Stunden und 365 Tagen multipliziert. Eine smarte Steckdose mit einer Leistung von einem Watt verbraucht 24 Wattstunden pro Tag und somit 8,8 Kilowattstunden im Jahr. Bei einem Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde entspricht das jährlich etwa 3,50 Euro.
Wie viel Energie die Geräte wirklich schlucken, ist für Verbraucherinnen und Verbraucher im Elektrohandel auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen. Denn im Gegensatz zu Waschmaschinen und Kühlschränken wird kein buntes Energiesparlabel auf Verpackungen von Routern, Überwachungskameras und smarten Thermostaten geklebt. Dabei sind Kunden bereit, für sparsame Hardware deutlich mehr Geld auszugeben.
Was vielen hingegen nahezu egal ist: eine klimafreundliche Produktion. Sie spielt bei der Kaufentscheidung kaum eine Rolle. Dabei hat Johanna Pohl mit ihrem Team gezeigt, dass hier das große Problem besteht: »Es kostet wahnsinnig viel Energie, diese Geräte herzustellen«, sagt Pohl. »Wir haben festgestellt, dass es durchschnittlich kaum Einsparpotenzial gibt, wenn man die Produktion von Smarthome-Geräten mit einbezieht.«
Strom und Heizung: Wann ein Smarthome wirklich beim Energiesparen hilft - DER SPIEGEL
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