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Tuesday, June 7, 2022

25 Jahre Winamp: Lamas und scheußliche Skins - Golem.de - Golem.de

Winamp war der prägende Musikplayer in der Anfangszeit des kommerziellen WWW. Trotz innovativer Funktionen verschwand das Programm aber von der Bildfläche.

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Der Classic Skin von Winamp 2
Der Classic Skin von Winamp 2 (Bild: Winamp Skin Museum/Screenshot: Golem.de)

Bei der Nennung des Namens Winamp dürfte ich nicht der einzige aus meiner Generation sein (geboren Anfang der 1980er Jahre), der in wohligen Erinnerungen schwelgt. Bereits kurz nach meinen ersten Ausflügen ins World Wide Web Ende der 1990er Jahre wurde das kleine, unscheinbare Programm zum Standard für das Abspielen von MP3s auf meinem Rechner. Das änderte sich für viele Jahre nicht.

Um Winamp kam man als Windows-Nutzer um die Jahrtausendwende einfach nicht herum. Der als Shareware, später als Freeware verteilte Player war schlank, hatte eine übersichtliche Medienbibliothek und erlaubte es irgendwann sogar, Audio- und Videostreams zu suchen und anzuschauen. Dazu kamen die Skins, die mittlerweile als Ausdruck der Popkultur der späten 1990er und frühen 2000er Jahre gesehen werden können.

Vor 25 Jahren, am 7. Juni 1997, ist die erste Version von Winamp erschienen - veröffentlicht von dem knapp 20-jährigen Programmierer Justin Frankel, der kurz zuvor sein Programmierstudium nach nur zwei Semestern abgebrochen hatte. Zusammen mit Dmitry Boldyrev schuf er ein Programm, das im Laufe der Jahre zahlreiche innovative Funktionen erhielt - ehe es nach Übernahmen von Frankels Unternehmen Nullsoft und aufgrund des Wandels in der Art des Musikkonsums in der Versenkung verschwand.

60 Millionen registrierte Nutzer im Jahr 2001

Um das Jahr 2000 herum gehörte die Winamp-Version 2 jedoch zu den beliebtesten Windows-Programmen. Es hatte über 25 Millionen registrierte Nutzer - dazu kamen zahlreiche unregistrierte. 2001 waren es bereits 60 Millionen registrierte Anwender. Winamp 2 bot mit dem vorinstallierten Skin nicht nur eine saubere Benutzeroberfläche, der modulare Aufbau des Players erlaubte es zudem, benötigte Elemente wie die Medienbibliothek oder den Visualisierungsbildschirm individuell und nach Bedarf einzublenden. Ich hatte standardmäßig neben dem Player die aktuelle Titelübersicht geöffnet.

  • Der Classic Skin von Winamp 2 (Winamp Skin Museum/Screenshot: Golem.de)
Der Classic Skin von Winamp 2 (Winamp Skin Museum/Screenshot: Golem.de)

Der Look des klassischen Winamp-Players ist mittlerweile ikonisch: Neben den Bedienelementen, dem Tracknamen und Informationen zur Bitrate gab es eine kleine Equalizer-Visualisierung. Wem diese grafische Untermalung nicht ausreichte, konnte auf eine Vielzahl von optischen Echtzeitvisualisierungen zurückgreifen. Winamp konnte seit 1998 mit Plugins verwendet werden, weshalb diese Visualisierungen, aber auch Effekte oder neue Medienbibliotheksfunktionen einfach nachinstalliert werden konnten.

Auch die Unterstützung neuer Dateiformate konnte mit Plugins einfach realisiert werden. Die Plugins machten Winamp zu einem sehr vielseitigen Player. Legendär ist natürlich auch der Jingle mit Blöken und dem Hinweis, dass Winamp dem Lama Feuer unter dem Hintern machen würde (grob übersetzt von "it really whips the llama's ass").

Viele Winamp-Nutzer haben es nicht beim klassischen Look des Players gelassen. Dank der leicht selbst zu erstellenden Skins konnte das Aussehen von Winamp schnell verändert werden - und zwar tiefgreifend. Bereits im Jahr 2000 soll es 3.000 Skins gegeben haben. Auf speziellen Internetseiten konnten die Nutzer aus Hunderten Varianten auswählen. Einige Skins waren ansehnlich und praktisch, bei anderen ließen sich die Bedienelemente mitunter nur noch schwer erkennen.

Winamp-Skins gehören zur Popkultur

In der Retrospektive bieten die Winamp-Skins einen interessanten Einblick in die Popkultur der späten 1990er und frühen 2000er Jahre. Damals beliebte Musikgruppen, Schauspielerinnen und Serienhelden wurden von Fans in zahlreichen Skins verewigt. Ich selbst habe jahrelang Winamp mit einer Oberfläche im LCARS-Design von Star Trek verwendet - wohl wissend, dass der klassische Skin wesentlich übersichtlicher war. Im Winamp Skin Museum lassen sich insgesamt 65.000 Winamp-Benutzeroberflächen anschauen, ausprobieren und herunterladen.

Dank der ebenfalls von Nullsoft entwickelten Software Shoutcast konnten Winamp-Nutzer bereits ab 1998 unkompliziert Internetradio hören. Dabei war es nicht nötig, sich im WWW erst die Adresse des Streams herauszusuchen - stattdessen konnten die Stationen und Programme einfach in der Medienbibliothek gesucht werden. Später kam mit Nullsoft Streaming Video noch die Möglichkeit hinzu, auch Videostreams einfach anzubieten - die sich ebenso einfach suchen und starten ließen.

Winamps Beliebtheit dürfte sich nicht rein zufällig parallel zu dem Aufkommen von MP3-Tauschbörsen wie Napster gebildet haben. Napster wurde im Juli 2001 abgeschaltet, wenige Jahre war die Musikindustrie auch erfolgreich gegen die meisten anderen Tauschnetzwerke vorgegangen. In dieser Zeit entwickelte sich vor allem iTunes zum starken Konkurrenten von Winamp. Viele Nutzer fingen an, sich Musikdateien tatsächlich zu kaufen.

Im Oktober 2008 ging Spotify an den Start - und damit änderte sich die Art und Weise, wie Musik auf PCs und Mobilgeräten gehört wird, grundlegend. Ironischerweise hatte Winamp bereits fast zehn Jahre zuvor seinen Nutzern einfaches Internetstreaming ermöglicht. Umfangreiche Lizenzen mit Musiklabels hatte Nullsoft allerdings nie abgeschlossen - und konnte folglich mit der Auswahl von Spotify nicht mithalten.

Winamp 3 enttäuschte viele Nutzer

Daran änderte auch die Übernahme von Nullsoft durch AOL im Jahr 1999 nichts - obwohl AOL und Time Warner kurze Zeit später fusionierten und Time Warner einen umfangreichen Musikkatalog besitzt. Winamp wurde weiterentwickelt, die neue Version 3, vorgestellt im August 2003, enttäuschte aber viele Nutzer. Als komplette Neuentwicklung fehlten einige Funktionen von Winamp 2, zudem war das Programm leistungsintensiver. Viele Nutzer verwendeten daher Winamp 2 weiter. Auch Nullsoft beziehungsweise AOL sahen die Probleme mit Winamp 3 und entwickelten parallel Winamp 2 weiter.

Das bereits im Dezember 2003 vorgestellte Winamp 5 basierte wieder auf Winamp 2, brachte aber einige Funktionen von Winamp 3 ein. 2004 hörte das ursprüngliche Nullsoft-Team auf, Winamp wurde fortan von neuen Entwicklern bei AOL weiterentwickelt. Winamp-Gründer Frankel stand zu diesem Zeitpunkt bereits unter Beobachtung von AOL, da der Entwickler mit Gnutella einen Filesharingdienst veröffentlicht hatte, den man - anders als Napster und Konsorten - nicht einfach abschalten konnte. Das fand Time Warner nicht sonderlich amüsant.

Winamp 5.666 war die letzte offizielle Version des Programms und wurde im November 2013 vorgestellt. Kurz zuvor hatte AOL bekannt gegeben, dass die Webseite Winamp.com im Dezember des gleichen Jahres geschlossen und die Entwicklung am Programm eingestellt werde. Winamp wurde Anfang 2014 vom belgischen Rundfunkunternehmen Radionomy gekauft, das die Webseite neu aufsetzte und das Programm weiterhin zum Download anbot. Von AOL hinzugefügte Bezahlfunktionen wurden wieder entfernt.

Winamp 6 lässt weiter auf sich warten

2016 wurde Winamp 5.8 geleakt, eine offizielle Vorstellung der Version gab es nicht. Nach dem Leak entschied sich Radionomy, die Version selbst anzubieten - dabei handelt es sich um die Version, die sich aktuell auf der Webseite von Winamp herunterladen lässt. Seit mehreren Jahren wird Winamp 6 angekündigt, bislang wurde allerdings kein neues Programm veröffentlicht. Ursprünglich sollte die Version bereits 2019 erscheinen, 2021 wurden Betatester gesucht.

Als Medienplayer ist Winamp heutzutage nur noch ein Schatten dessen, was das Programm vor 20 Jahren war. Nach iTunes kamen weitere Konkurrenten wie der VLC Player, der bei vielen Computernutzern mittlerweile als Standard dient. Vor allem Streaminganbieter wie Spotify, Apple Music und andere haben den Musikmarkt auf PCs und mobilen Geräten jedoch für immer verändert: Die überwiegende Anzahl an Nutzern dürfte sich heutzutage keine Musikdateien mehr kaufen, sondern Musik im Streamingabo hören. Solange das neue Winamp diesbezüglich keine Schnittstellen anbietet, dürfte für viele der Nutzen fraglich sein.

Übrig bleiben also die wohligen Erinnerungen an Winamp, die sich gut mit Hilfe eines simplen Downloads auffrischen lassen. Winamp 5.8 ist immer noch verfügbar und einfach herunterzuladen und zu installieren. Zugegeben, die Skalierung ist auf modernen Displays nicht optimal, der berühmte Lama-Jingle samt Blöken entschädigt aber zumindest mich für die miniaturisierte Darstellung. Und wer weiß - vielleicht macht eine neue Version von Winamp dem Lama ja irgendwann mal wieder Feuer unterm Hintern.

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