Wrath of the Righteous ist wie der Vorgänger enorm komplex. Die vielen Funktionen werden Fans des D&D-RPGs freuen und Anfänger abschrecken.
Das russische Entwicklerstudio Owlcat Games hat mit dem Rollenspiel Pathfinder: Kingmaker einen echten Kaninchenbau geöffnet und ein enorm komplexes und umfangreiches Dungeons-and-Dragons-Szenario geschaffen - einschließlich Würfelsystem und Regelset der Tabletop-Vorlage Pathfinder, einem D&D-Ableger.
Mehrere Dutzend Völker wie Orcs, Tieflinge, Zwerge, Elfen und Co. und ein sehr tiefgreifendes Attributs- und Skillsystem ließen selbst hartgesottene RPG-Fans schon bei der Charaktererstellung die Köpfe rauchen. Mit Fantasie, Vorstellungskraft und viel Lesewillen konnten sie dafür mit ihren Lieblingsavataren in eine tolle Fantasywelt eintauchen.
So viel kann gesagt werden: Auch der darauf aufbauende direkte Nachfolger Pathfinder: Wrath of the Righteous wird die Gaming-Community spalten: Entweder wir tauchen voll Euphorie und Freude in die komplexe Welt von Pathfinder ein und schmieden unseren Pfad als guter oder böser Held; oder wir sind vom Würfelsystem, teils ziemlich ähnlich anmutenden Klassen und der schieren Menge an Effekten, Monstern und Lesestoff schnell genervt.
Das beginnt bereits beim Erstellen unseres Alter-Ego. Allein hier verbringen wir knapp zwei Stunden damit, Fähigkeiten, Attribute, Klassen, Völker und mehr durchzulesen - fast als würden wir in einer neuen Partie Dungeons and Dragons unseren Charakterbogen händisch ausfüllen. Selbst der geschichtliche Hintergrund unserer Figur spielt eine Rolle. Das ist für uns als Einsteiger in die Serie erst einmal eine Denkaufgabe.
Freie Wahl bei der Charaktererstellung
Veteranen werden sich aber schnell zurechtfinden, da sich am Editor wenig verändert hat. Attribute, Fähigkeiten und Effekte sind mit meist hilfreichen Tooltipps und Hinweisen versehen. Auch gibt uns das Spiel positive und negative Vorschläge basierend auf unserer gewählten Klasse. Uns hält aber nichts davon ab, einen Halbling in Plattenrüstung mit viel Charisma oder einen Orcbarden mit wenig Grips im Kopf zu erstellen.
Je nach Schwierigkeitsgrad können Kämpfe gegen die vielen verschiedenen Gegnertypen im Spiel dann noch härter werden. Schon in den niedrigeren Einstellungen machen uns zu Beginn des Spiels bereits Elementarwesen oder fiese Kultisten und Nekromanten schneller den Garaus, als wir "Leeroy Jenkins!" rufen können.
Die Schwierigkeit lässt sich im Verlauf unseres Abenteuers jederzeit individuell anpassen. Wie bei Pathfinder üblich, gibt es immens viele Anpassungsmöglichkeiten. Wie viel Schaden soll unsere Gruppe nehmen können? Sind Tode im Kampf permanent? All das lässt sich jederzeit einstellen.
Rundenbasiert und in Echtzeit
Auch wenn wir auf moderaten und niedrigen Schwierigkeitsgraden spielen, ist die Lernkurve für Neulinge doch recht steil. Das liegt auch daran, dass wir nicht nur einen Helden, sondern sechs Figuren in unserer Gruppe steuern. Wie aus dem Vorgänger bekannt, können wir Kämpfe dabei in Echtzeit oder rundenbasiert ablaufen lassen. Außerdem lässt sich mittlerweile die Kamera frei drehen.
So lange es geht, würden wir Echtzeitkämpfe empfehlen, die sich, wie in anderen, an Baldurs Gate erinnernden Rollenspielen, auch pausieren lassen. Kenner des Genres werden sich nicht nur an den Vorgänger erinnert fühlen. Das Ausrollen von Schadenswerten, Rüstungsrettungswürfen, Ausweichwürfen und mehr wurde in einfacherer Version etwa auch beim Rollenspielklassiker Star Wars: Knights of the Old Republic genutzt, in Neverwinter Nights und anderen RPGs verwendet.
Der rundenbasierte Modus ist unserer Meinung nach eher unübersichtlich, wenn wir etwa den Vergleich zu Titeln wie Divinity: Original Sin 2 ziehen. Die Steuerung unserer Figuren scheint dort etwas ungenau zu sein und die schiere Masse an Gegnern macht die meisten rundenbasierten Kämpfe langwierig und zeitraubend.
Monster in Hülle und Fülle
Die Kämpfe in Wrath of the Righteous fühlen sich zumindest toll an. Zaubersprüche fliegen umher, Pfeile zischen durch die Luft und Monster grunzen, während sie von unserem Krieger in der ersten Reihe mit der Zweihandaxt bearbeitet werden. Sounddesign und vor allem der fantastische Soundtrack passen zumeist gut ins Setting und verleihen dem Abenteuer eine tolle Atmosphäre.
Die relativ vielfältigen Monster, Dämonen und Humanoide, die uns dabei begegnen, sind zahlreich und kreativ gestaltet: Von der riesigen Giftfliege über sabbernde Ghule bis hin zu insektenartigen Dämonen ist fast alles dabei, was der D&D-Fan sich wünscht.
Auch grafisch kann Wrath of the Righteous in den meisten Facetten überzeugen, während die Sprachausgabe der vielen Figuren im Spiel und die elend vielen Ladebildschirme zu den größten Kritikpunkten gehören.
Nicht nur das Erkunden von Ruinen und das Bekämpfen von Schergen des Bösen gehören zum Kern von Pathfinder. Das aus dem Vorgänger Kingmaker bekannte Städteausbausystem macht wieder einen signifikanten Teil der Kampagne aus. Zusätzlich dazu heben wir für unseren Kreuzzug Armeen aus Paladinen, Schützen, Speerträgern, Kavallerie und vielen weiteren Soldaten aus. Diese schicken wir in rundenbasierten Kämpfen in die Schlacht.
Gegnerische Armeen begegnen uns auf der Strategiekarte, über die wir auch unsere Gruppe zu den vielen Orten im Spiel bewegen. Die taktischen Gefechte erinnern gewollt an den Strategiespielklassiker Heroes: of Might and Magic 3. Unsere verschiedenen Einheiten teilen sich in Stapel zu mehreren Stück auf, die wir rundenbasiert auf einem Raster hin- und herbewegen.
Im Kreuzzugmodus können wir so Festungen von Feinden erobern und diese anschließend mit Gebäuden ausstatten, die wiederum weitere Boni geben. Das ist ein nettes Spielsystem, das es so bei anderen klassischen D&D-artigen Spielen nicht gibt. Wir finden aber, dass die Ressourcen für eine bessere Sprachausgabe besser eingesetzt worden wären.
Viel lesen, wenig sprechen
Das große Problem: Nur sehr wenige der vielen Dialoge sind überhaupt vertont. Wir sollten also eine Menge Zeit zum Lesen mitbringen, um nicht einen großen Teil der an sich spannend erzählten Geschichten zu verpassen. Die wenigen vertonten Dialoge klingen charmant überdreht, wie wir es bei einer Partie Dungeons and Dragons auch selbst machen würden. Schade, dass wir die guten Sprecher nicht allzu oft hören.
Den Vorgänger plagten zum Release noch einige Bugs und Fehler, die teilweise zu nervigen Problemen führten. Wrath of the Righteous fühlt sich allerdings recht gut optimiert an. Einzig einige GUI-Elemente überlappen sich in seltenen Fällen, was durch Drücken der Escape-Taste behoben wird. Abstürze oder storyblockende Bugs konnten wir bisher nicht feststellen.
Grafisch stimmig, aber ruckelig
Wie schon Kingmaker basiert auch Wrath of the Righteous auf der Unity-Engine. Gerade die Gebäude und Landschaften sehen stimmig aus. Auch das Wettersystem und die Lichtstimmung gefallen uns. Einzig die Charaktere selbst scheinen etwas steif und unbeholfen durch die Welt zu marschieren.
Das Game ist zudem nicht unbedingt sehr gut optimiert. In 4K und auf hohen Grafikdetails kommen wir mit Geforce RTX 3090 auf etwas mehr als 30 fps. Gut also, dass es sich hier um ein eher langsames Spiel handelt. Frameeinbrüche und Ruckler fallen nicht ganz so stark ins Gewicht.
Das Land der Ladezonen
Nerviger sind da schon die ganzen Ladezonen im Spiel. Marschieren wir auf der Strategiekarte, werden wir von Banditen angegriffen - Ladebildschirm. Wir töten die zwei Banditen - Ladebildschirm. Wir laufen auf der Strategiekarte zu unserem Ziel - Ladebildschirm. Wir laufen vom Tor zur Taverne - Ladebildschirm. Diese fragmentierte Instanziierung der Welt nervt schon nach kurzer Zeit. Wir sollten das Spiel also auf einer SSD installieren, soweit möglich.
Pathfinder: Wrath of The Righteous wird in diversen Textsprachen angeboten, etwa Deutsch und Englisch. Die Vertonung ist allerdings ausschließlich auf Englisch gehalten. Das gilt auch für die kurzen Sprüche, die unsere Figuren bei Aktionen und Kämpfen loslassen. Das Spiel ist für Windows-PC auf Plattformen wie Steam, dem Epic Games Store und Gog verfügbar und kostet ab 50 Euro.
Fazit
Pathfinder: Wrath of the Righteous verspricht eine spannende Story mit einer enormen Fülle an Fähigkeiten, Attributen und Möglichkeiten. Entwickler Owlcat Games baut im Prinzip den Vorgänger neu und ergänzt ihn um weitere Dinge.
Das dürfte gerade Hardcore-RPG-Fans gefallen, die gern in die Optimierung und Entwicklung ihrer Lieblingshelden investieren. Sie werden mit dem D&D-Regelset, einer unglaublich großen Auswahl an Gegenständen, Quests und Orten und teilweise tollen Charakteren belohnt.
Das hat allerdings seinen Preis: Wir sollten gewillt sein, uns auf extrem harte, teils nur durch Zufall machbare Kämpfe einzustellen und viel zu lesen. Gerade Letzteres ist sehr wichtig, damit wir von der Story und Nebenquests auch genug mitbekommen. Die Vertonung von Figuren wird meist ausgelassen. Schade eigentlich, denn die wenigen gesprochenen Dialoge machen Lust auf mehr.
Auch braucht Wrath of the Righteous eine ordentliche Eingewöhnungsphase, damit wir wichtige Spielmechaniken, Effekte, Attribute, Rüstungswürfe, Charisma-Checks und andere Systeme verinnerlichen. Dann machen die wahlweise rundenbasierten oder in Echtzeit stattfindenden Kämpfe meist viel Spaß.
Owlcat erweitert zudem das Städteausbausystem um einen taktischen Kreuzzugmodus, bei dem wir Armeen rekrutieren und in die Schlacht schicken. Das ist eine interessante Mechanik. Insgesamt hätten wir uns aber etwas mehr Fokus gewünscht. Manchmal ist weniger auch mehr.
So werden eher die wirklich enthusiastischen Fans auf ihre Kosten kommen, während wir uns bei Einsteigern nicht wundern würden, wenn sie das Spiel nach einigen Stunden wieder ausschalten. Dieser Zielgruppe würden wir Spiele wie Divinity: Original Sins 2 empfehlen - ein etwas einfacheres, aber konsequent zu Ende gedachtes RPG.
Pathfinder Wrath of the Righteous: D20-Charismawurf für Hardcore-Fans - Golem.de - Golem.de
Read More
No comments:
Post a Comment