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Sunday, January 23, 2022

Xbox Cloud Gaming: Wenn ich groß bin, möchte ich gerne Netflix werden - Golem.de - Golem.de

Call of Duty, Fallout oder Halo: Neue Spiele bequem am Business-Laptop via Stream zocken, klingt zu gut, um wahr zu sein. Ist auch nicht wahr.

Ein Erfahrungsbericht von Benjamin Sterbenz
Der Ladebildschirm bei Xbox Cloud Gaming
Der Ladebildschirm bei Xbox Cloud Gaming (Bild: Screenshot Golem.de)

Schnell mal in ein Spiel reinspringen, ohne allzu große Anschaffungskosten, fette Hardware oder lange Ladezeiten - das ist das Versprechen von Cloud-Gaming.

Nach Jahren Spieleabstinenz und Konditionierung durch Streamingabos wie Netflix, Amazon und Sky hat mich diese unkomplizierte Herangehensweise angesprochen. Trotz aller Warnungen von Kollegen, ja keine hohen Erwartungen zu hegen, habe ich im Dezember das Experiment gewagt.

Ausschlaggebend waren für mich die guten Rezensionen von Forza Horizon 5. Ich hatte einfach mal wieder Lust auf ein Rennspiel und wollte wissen, wie sich das 2022 so anfühlt und aussieht.

Auf der Playstation 4, die seit zwei Jahren Staub sammelt, gab es nichts Vergleichbares. Die Switch Lite in der Schublade kam mir dafür erst gar nicht in den Sinn. Und mir für ein einziges Spiel eine Konsole selbst zu schenken, fand ich übertrieben - abgesehen davon, dass man kaum eine bekommt.

63 Euro für 338 Spiele

Also Xbox Game Pass Ultimate mit Cloud-Play. Einen 13-Euro-Voucher für ein Monat Game-Streaming gekauft und dann einen Xbox Controller für 50 Euro bestellt. Die Kosten sind vertretbar, vor allem wenn man sich einredet, dass es der Weiterbildung und dem Erkenntnisgewinn dient.

Positiv dann auch der erste Kontakt: Mein seit zehn Jahren ungenutzter Xbox-360-Account ist noch einsatzbereit und mein Avatar ist im Gegensatz zu mir keine Spur gealtert.

Eingeloggt in xbox.com/play stehen mir etwas über 300 Spiele für den Stream zur Verfügung, darunter einige direkt von Microsoft und den angeschlossenen Spielestudios wie etwa Bethesda, aber auch von Dritten wie EA oder anderen kleinen und großen Studios.

Zu beachten ist hier, dass sich die Game-Pass-Bibliothek (Spiele zum Installieren) von Game Pass Ultimate (Streaming inklusive) unterscheidet. Innerhalb von Ultimate gibt es auch noch mal Unterschiede in der Auswahl. Wer vom Browser am PC streamt, hat nicht die Auswahl, die auf der Xbox zur Verfügung steht. So ist der Flight Simulator am PC nicht als Stream verfügbar, auf der Xbox demnächst schon. Gut erklärt wird das leider nirgends.

Mühsam die Spreu vom Weizen trennen

Dass Forza gespielt wird, ist für mich klar. Gewissenhaft sehe ich mir aber den ganzen Katalog an, um herauszufinden, ob sonst etwas dabei ist. So wie bei Netflix ist es sehr verlockend, einfach mal in was reinzuschauen, anzuspielen und sich vielleicht überraschen zu lassen.

Das Durchstöbern des Katalogs wird einem jedoch nicht einfach gemacht. Beta-Phase hin oder her, eine gute Filterfunktion darf man erwarten. Sortieren nach Single-/Multiplayer, Erscheinungsjahr, Hersteller? Fehlanzeige. Gnädigerweise darf man immerhin acht Genres ("RPG", "Familienfreundlich") zum Aussortieren anklicken, einzeln wohlgemerkt. Also mache ich es auf die umständliche Art, alles in neuen Tabs auf, und lese mich durch die Beschreibungen.

Hier wiederholt sich der Eindruck: Komfort gleich null. Keine Screenshots, keine Gameplay-Videos, keine sinnvolle Verschlagwortung, sondern einfach Textwüste (Ausnahme Forza 5: Da stehen nur zwei kurze Sätze). 25 Games lese ich mir so durch, dann vergeht mir die Lust.

Aufgeben will ich trotzdem nicht, sondern wähle die zeitintensive, aber lohnende Alternativroute: Metacritic aufmachen und dort die Titel suchen und gucken, welche über eine Wertung von 80 Punkten kommen. Viele sind es nicht und am Ende hat man circa 30 Games auf der Shortlist - die Hälfte davon Indie-Games.

Das verlockende Angebot beim Gamestreaming, für eine vertretbare monatliche Gebühr einen attraktiven Spielekatalog zu bekommen, enttäuscht. Die Auswahl schrumpft weiter, wenn man die hochgelobten Spiele ausprobiert. Kann sein, dass ich nach 35 Jahren Gaming abgestumpft bin, jedenfalls denke ich mir bei der Hälfte: Been there, done that.

Eine durch und durch positive Überraschung gibt es bei der Erkundungstour dann aber doch.

Desperados 3 zieht mich in seinen Bann.

Commandos (1998) war mein letzter Berührungspunkt mit dieser Art von Spiel. Der Wilde Westen als Setting ist den Nostalgiegefühlen sicherlich auch zuträglich. Was aber besonders überzeugt: extrem kurze Ladezeiten und die Möglichkeit, binnen einer Sekunde zu speichern. Schnell mal zwischendurch am Schreibtisch für 10 Minuten grübeln und taktieren? Funktioniert.

Hätte ich mir das Spiel auch für die PS4 gekauft? Angesichts meines hohen Pile of Shame nicht. Durch das Streaming hat das Spiel doch zu mir gefunden.

Ein weiterer Anreiz von Desperados 3: Es ist einer der wenigen Titel, die tatsächlich halbwegs spielbar sind. Denn, und das ist der eigentliche Kritikpunkt: Empfehlenswert ist Xbox Cloud Gaming nicht. Trotz guter Internetverbindung (im Schnitt 150 MBit im Download/25 MBit im Upload; via Fritzbox-WLAN-Router mit 2 Mesh-Erweiterungen) und passabler Hardware (Lenovo T14s, W10, 32GB Ram, Controller via USB-Kabel) kommt es in jedem Spiel zu Rucklern und Grafikfehlern.

Den Hinweis eines Kollegen, es für weniger Lag über Netzwerkkabel zu versuchen, habe ich übrigens ignoriert. Erstens sind wir im Jahr 2022 und nicht auf einer LAN-Party Anfang 2000 und zweitens lege ich mir nicht 20 Meter Stolperfalle durch die Wohnung.

Edge bringt etwas Cutting Edge

Für ernsthafte Gamer kommt der Service sowieso nicht in Frage, aber selbst für Casual Gamer sind die Aussetzer kaum zu ertragen. Maximal bei einem langsamen Taktikspiel kann man damit noch irgendwie leben. Hilfreich ist im Fall von Desperados, dass man binnen Sekunden neu laden kann. Wenn meine Figuren gut versteckt im Gebüsch sitzen, schadet es nicht sehr, wenn der Bildschirm mal unvermittelt nach links scrollt und irgendeinen Controller-Input von irgendwann davor umsetzt.

Im Flow der Mission kann ich begrenzt auch verkraften, wenn die Videokompression zuschlägt und gefühlt auf VGA-Auflösung herunterdrosselt. Schön ist das nicht anzusehen, aber der Spielfluss ist nicht gestört und es tut dem Taktieren keinen Abbruch. Vor 15 Jahren fand ich die Commandos-Grafik ja auch nicht hinderlich.

Ein kleiner Lichtblick im generellen Grafikmatsch ist der Ende November eingeführte Clarity Boost. Dieses für Edge-Browser exklusive Feature agiert wie ein Scharfzeichner und hübscht alles wahrnehmbar und positiv auf.

Nachteil - zumindest bei meinem Setup: Bei aktiviertem Boost stürzt mir der Browser mehrmals ab. Auslöser sind nicht zu erkennen, es passiert willkürlich, aber regelmäßig. Bei den Abstürzen gibt es auch Unterschiede. Bei manchen muss der Browser via Task-Manager komplett gekillt werden, bei anderen reicht ein Reload.

Mancher Reload startet dann das Spiel ganz neu, in einigen Fällen landet man aber auch einfach wieder direkt im laufenden Game-Stream, als sei man nie weg gewesen.

Von der Wolke ins Nirvana

Trotz all dieser Widrigkeiten will ich mein Monatsabo ausreizen - schließlich habe ich ja bezahlt. Deshalb räume ich jeden Abend Desperados 3 eine Stunde Freizeit ein. Mit Begeisterung schaffe ich es bis zur vorletzten Mission. Dann ist abrupt Schluss.

Wie bei Video-Streamingdiensten üblich, ist auch beim Cloud-Gaming die Spielebibliothek dynamisch. Titel kommen dazu, Titel fallen raus. Doof für mich, denn Desperados 3 ist ein Titel, der rausfliegt. Am Samstag, dem 15. Januar bringe ich meine Western-Gang in Stellung, um einen der Bösewichte in der nächsten Session zu überwältigen. Daraus wird aber nichts. Am Sonntag ist das Spiel verschwunden.

Dass das passieren würde, war mir klar. Per Zufall habe ich eine Woche zuvor auf der Startseite die Rubrik "Bald nicht mehr verfügbar" entdeckt. Darunter war auch Desperados. Das genaue Datum blieb mir Xbox Play schuldig. Hätte ich nicht durch den Katalog gestöbert und die Rubrik entdeckt, wäre ich gänzlich überrascht worden.

In Zeiten von KI könnte man von einem smarten Service erwarten, dass man basierend auf dem Spielverhalten informiert wird, dass ein Titel, in den man kontinuierlich über zwei Wochen hinweg mindestens 20 Stunden investiert hat, zu Tag X nicht mehr verfügbar sein wird.

Theoretisch gut

Wie lautet also das wenig überraschende Fazit nach einem Monat Cloud-Gaming? Hardcore-Gamer brauchen keine Sekunde einen Gedanken daran zu verschwenden. Daran wird auch der jüngste Kauf von Activision Blizzard nichts ändern, der die Streamingbibliothek laut Microsofts Aussage erweitern wird.

Gelegenheitsspielern entgeht ebenfalls nichts: Zu häufig sind die Grafikfehler, zu hoch der Lag, zu rudimentär die Bedienung. Hat es Zukunftspotential? Ja. Wenn es in der Praxis so laufen würde wie in der Theorie beschrieben, bevorzuge ich es gegenüber jeder physischen Konsolenanschaffung. Allerdings sollte Microsoft nicht nur Milliarden für Spiele-Akquisitionen ausgeben, sondern kräftig in die eigene Infrastruktur und Streaming-Codecs investieren.

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