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Thursday, January 6, 2022

Vodafone und Sony: Der (Alb)-Traum vom ferngesteuerten Taxi - Golem.de - Golem.de

Vodafone und Sony haben von Japan aus ein Auto in Deutschland ferngesteuert. Sinnvolle Alternative zum autonomen Fahren oder nur eine Marketing-Gag?

Eine Analyse von
Der ferngesteuerte Sony Vision-S02 auf der Teststrecke in Aldenhoven
Der ferngesteuerte Sony Vision-S02 auf der Teststrecke in Aldenhoven (Bild: Vodafone)

Wenn es darum ging, die Vorteile des neuen Mobilfunkstandards 5G zu begründen, bemühten Mobilfunkprovider in den vergangenen Jahren meist dessen Einsatz beim vernetzten und autonomen Fahren. Eine breitbandige Kommunikation in "Echtzeit", wie es immer wieder hieß, solle den Verkehr sicherer machen und selbstfahrende Autos erst ermöglichen.

Doch nun, da es mit dem autonomen Fahren nicht so richtig vorwärts geht, propagieren Vodafone und Sony noch eine andere Möglichkeit: Taxifahrer sollen Autos künftig aus der Ferne manövrieren.

Zu Testzwecken habe im vergangenen Dezember eine Person in Tokio das neue Sony-Elektroauto Vision-S02 auf einer Teststrecke im nordrhein-westfälischen Aldenhoven gesteuert, teilten beide Unternehmen mit. Auf Basis der 5G-Technik könnten künftig neue Services und Anwendungen entstehen. "Beispielsweise werden so Pick-up-Services für Reisende am Flughafen denkbar. Taxifahrer müssten dann nicht mehr am Flughafen auf Fahrgäste warten, sondern könnten die Autos aus dem Homeoffice steuern", hieß es.

Gruselige Vorstellung

Diese Vorstellung erscheint gruselig. Die Fernsteuerung von Autos wie in einem Computerspiel durch einen dichten Stadtverkehr dürfte selbst bei einer zuverlässig funktionierenden Mobilfunkverbindung eine Herausforderung darstellen. Es macht einen großen Unterschied, ob man ein Fahrzeug direkt und darin sitzend steuert oder sich dazu an einem völlig anderen Ort vor einem zweidimensionalen Bildschirm befindet. Denn wichtige Sinneseindrücke fehlen, man hat kein Gefühl für Verzögerung und Beschleunigung sowie das Verhalten des Fahrzeugs auf der Fahrbahn.

Zudem gibt es unzählige Gründe, warum die Datenverbindung zwischen Auto und Steuerungszentrale unterbrochen werden oder der Strom ausfallen könnte. Soll dann das Auto im Blindflug durch den Verkehr steuern? Und wer haftet bei Unfällen? Der Baggerfahrer, der aus Versehen das Datenkabel durchgetrennt hat? Von einem Hacking oder einem bewussten Missbrauch der Technik gingen noch ganz andere Gefahren aus.

Merkwürdige Behauptung zur Reaktionszeit

Darüber hinaus entledigt man sich mit dem Konzept eines entscheidenden Vorteils des autonomen Fahrens. Denn die Computersysteme können deutlich schneller reagieren, wenn beispielsweise ein unerwartetes Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht. Eine Schrecksekunde wie bei menschlichen Fahrern gibt es nicht. Bei ferngesteuerten Fahrzeugen addieren sich die doppelten Übertragungszeiten für die Sensordaten und Steuerungsbefehle aber zu der menschlichen Reaktionszeit. Wie schnell die Verbindung ist, hängt dabei nicht nur von 5G, sondern vom kompletten Routing ab.

Stattdessen behaupten Vodafone und Sony: "Für den Datenaustausch in Echtzeit braucht es die vollständige 5G-Technologie. Sie bringt neben hohen Bandbreiten auch Latenzzeiten von weniger als 10 Millisekunden. Das ist so schnell wie das menschliche Nervensystem reagieren kann." Das ist Unfug. Kein menschlicher Fahrer reagiert in 10 Millisekunden auf eine Verkehrssituation. Das dauert eher 200 bis 300 Millisekunden. Immerhin scheint die Industrie das Mantra aufgegeben zu haben, wonach die Autos eine Latenz von 1 Millisekunde benötigten.

Autonomes Fahren nur mit Cloud?

Eine weitere fragwürdige Behauptung: "Die hohen Bandbreiten braucht es, um die großen Datenmengen, die im Auto entstehen, zu verarbeiten und auszuwerten. Denn die Verarbeitung von so großen Datenmengen kann nicht mehr ausschließlich im Fahrzeug stattfinden." Bislang ist aber noch kein Hersteller automatisierter Autos bekannt, der die Auswertung der Sensordaten tatsächlich in die Cloud übertragen will, selbst wenn es sich dabei um Rechner in Mobilfunkstationen, das sogenannte Edge-Computing, handeln sollte.

Mobileye hat gerade auf der Elektronikfachmesse CES einen einzelnen Chip vorgestellt, der das autonome Fahren nach Stufe 4 komplett ermöglichen soll. Wie viel Rechenkapazität müsste stattdessen in jeder Basisstation vorgehalten werden, um automatisiertes Fahren auf einer dicht befahrenen Autobahn zu realisieren?

Zwar verweist Vodafone auf Anfrage von Golem.de auf entsprechende Versuche zusammen mit dem Kartendienst Here und dem Autohersteller Porsche. Doch da heißt es gerade, dass sogenannte Live Sense SDK von Here "in Geräte mit Frontkameras" integriert werde und "mittels Computer Vision und künstlicher Intelligenz Objekte, Verhaltensänderungen von anderen Verkehrsteilnehmern und Straßenzustände" identifiziere.

Zur Ehrenrettung von Vodafone muss gesagt werden, dass es derzeit durchaus Überlegungen gibt, eine solche Fernsteuerung von Fahrzeugen einzusetzen, wenn autonome Fahrzeuge mit einer Verkehrssituation überfordert sind und nicht den ganzen Verkehr blockieren sollen. Aber unter ganz anderen Voraussetzungen.

Ein entsprechendes Konzept hat das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (Fokus) im Juni 2019 in Berlin gezeigt. In Schweden gibt es solche Versuche mit automatisierten Lastwagen.

Doch im Falle von Fokus ermöglichte die Fernsteuerung nur eine geringe Geschwindigkeit von 5 km/h. "Es geht wirklich nur darum, durch diesen Bereich durchzukommen, damit wir nicht den Verkehr blockieren", erläuterte damals Forschungsgruppenleiter Oliver Sawade.

Gesetz verbietet direkte Eingriffe

Auch das neue Gesetz für autonomes Fahren nach Stufe 4 sieht ausdrücklich vor, dass die Fahrzeuge aus der Ferne überwacht werden müssen. Allerdings lässt das Gesetz es gerade nicht zu, dass die Aufsicht die Fahraufgabe aus der Ferne übernehmen kann.

Stattdessen muss das Fahrzeug in der Lage sein, seine Systemgrenzen selbst zu erkennen und sich in einen "risikominimalen Zustand" versetzen zu können. Die sogenannte technische Aufsicht darf lediglich den Betrieb des Fahrzeugs deaktivieren oder vom Fahrzeug vorgeschlagene alternative Fahrmanöver freigeben. Das ist jedoch nicht erlaubt, wenn diese nicht dem Straßenverkehrsrecht entsprechen oder die Verkehrssicherheit gefährden.

Regulatorisches Erfordernis

In diesem Zusammenhang ergeben sogar die Tests von Vodafone und Sony in Aldenhoven Sinn. Denn das Gesetz schreibt vor, dass die autonomen Autos nur betrieben werden dürfen, "wenn ausreichend stabile und vor unautorisierten Eingriffen geschützte Funkverbindungen" vorhanden sind. Laut Vodafone-Sprecher Tobias Krzossa geht es auf der Strecke beispielsweise darum, die Stabilität der Verbindung unter verschiedenen Konfigurationen oder beim Wechsel zwischen Basisstationen zu testen. Auf Nachfrage konnte Sony allerdings nicht angeben, welcher Datendurchsatz für den Test tatsächlich genutzt wurde.

Die gesetzlich vorgeschriebene Fernüberwachung der Fahrzeuge ist derzeit allerdings weniger ein technisches als ein regulatorisches Erfordernis. Denn das Gesetz muss den Vorgaben des sogenannten Wiener Übereinkommens entsprechen. Diese internationale Vereinbarung zum Straßenverkehr erlaubt seit dem März 2016 die Zulassung hoch- und vollautomatisierter Fahrzeuge. Nach Auffassung der Regierung sieht das Übereinkommen aber vor, dass eine Übersteuerung solcher Fahrzeuge zumindest in Form einer Deaktivierung möglich sein muss.

Schlechte Alternative zum autonomen Fahren

Der Zwang zur Fernüberwachung könnte daher entfallen, wenn internationale Vereinbarungen künftig autonome Autos ohne jede menschliche Eingriffsmöglichkeiten zuließen. In diesem Zusammenhang könnte dann auch geregelt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Teleoperator ein Fahrzeug durch den öffentlichen Verkehr steuern darf.

Eine solche Möglichkeit ist aufgrund der damit verbundenen Risiken hoffentlich noch in weiter Ferne. Als Alternative für den Fall, dass das autonome Fahren selbst in fünf bis zehn Jahren noch nicht serienreif ist, scheint die Fernsteuerung ebenfalls fragwürdig. Denn anstatt aus dem Homeoffice ein Taxi permanent zu überwachen, kann sich der Fahrer auch gleich selbst hineinsetzen. Dann kann er am Flughafen den Passagieren sogar noch dabei helfen, den Koffer einzuladen.

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